Die Morgenluft war so frisch, dass sie mir in der Lunge verbrannte. Der Pfad schlängelt sich zwischen Kiefern und losem Gestein nach oben, und die Sonne schnitt dünn, goldene Strahlen durch die Zweige. Mein Mann Michael ging voran, sein graues Haar schimmerte wie silberne Fäden. Hinter uns ging unser Sohn Ethan und seine Frau Clara . Sie flüsterten und lachten auf eine Kunst, die seltsam gezwungen wirkte.
Wir kamen zum Blue Ridge Mountain – einem Ort, den Michael und ich schon immer geliebt haben –, um unseren 40. Hochzeitstag zu feiern. Die Aussicht vom Gipfel war angeblich atemberaubend. Ich ahnte nicht, wie wörtlich dieses Wort gemeint sein würde.
„Schnell geschafft“, rief Ethan. Sein Ton war fröhlich, aber etwas in seinem Blick – nervös, durchdringend – machte mich unruhig. Clara wich meinem Blick aus. Ich tat es als Müdigkeit ab. Vielleicht war ich zu sehr darauf bedacht, zu glauben, dass Familie Sicherheit bedeutet.
Als wir den Aussichtspunkt erreichten, spürte ich, wie der Boden unter mir abfiel, wie ein steiler Abgrund, verborgen von tiefem Büschen. Das Tale erstreckt sich, grün und endlos. Ich ging dicht am Rand entlang und klammerte mich an Michaels Hand fest, um das Gleichgewicht zu halten. Hinter uns knirschten Schritten auf dem Kies.
Dann – jemandes harte Hände auf meinem Rücken. Ein plötzlicher, brutaler Stoß.
Ich hatte nicht einmal Zeit zu schreien.
Die Welt kippte, drehte sich. Steine zerrten an meinen Schultern, mir blieb die Luft weg. Michaels Stimme hallte neben mir breiter, ein ersticktes Stöhnen, das sich in einen Schrei verwandelte. Dann ein Krachen – Knochen auf Stein, das dumpfe Aufprallen zerbrechender Körper.
Der Schmerz war überwältigend. Ich konnte mich nicht bewegen. Irgendwo neben mir stöhnte Michael. Seine Hand fand meine, zitternd.
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