Sie bemerkten Sweta nicht einmal. „Deine Tochter ist wie ein kahler Baumstamm! Dir geht es viel besser!“, flüsterte ihre Schwiegermutter ihrem Schwiegersohn Nikolai zu. „Ruhe! Es könnte jemand hören!“ Und dann sprang ihre Mutter plötzlich von ihrem Stuhl auf.
„Kola, da ist jemand!“ „Ich habe die Tür zuschlagen gehört!“, sagte die Mutter, ohne zu wissen, dass ihre Tochter alles gehört hatte. In diesem Moment spürte Swetlana, wie der Boden unter ihren Füßen bebte. Sie stand auf der Türschwelle und traute ihren Augen und Ohren nicht.
Nikolai und ihre Mutter bemerkten schließlich ihre Anwesenheit und waren entsetzt. Hatte sie wirklich alles gehört? Sie starrten sie an, als wäre sie ein Geist, unfähig, ein einziges Wort zur Verteidigung hervorzubringen. Die Situation war völlig überraschend und schockierend.
Swetlana wusste nicht, wie sie auf das, was sie sah und hörte, reagieren sollte. Es dauerte einen Moment, bis sie den großen blauen Fleck unter dem Auge ihres Mannes überhaupt bemerkte. Aber das war jetzt egal.
Swetlana war plötzlich desorientiert und spürte, wie ihr Herz vor Schmerz zerbrach. Die Entdeckung des Verrats ihrer engsten Vertrauten war ein schwerer Schlag und erschütterte ihre innere Welt. Sie konnte nicht glauben, dass die beiden Menschen, die ihr am nächsten standen, so etwas tun konnten.
Warum so grausam? Benommen und desorientiert rannte sie aus dem Haus, als wolle sie ihren Gefühlen und Gedanken entfliehen. Ihre Beine trugen sie wie von selbst. Irgendwohin, weit weg von dem Albtraum, der ihr Leben schlagartig verschlungen hatte.
Swetlana konnte sich nicht erinnern, jemals in ihre kleine Einzimmerwohnung zurückgekehrt zu sein, die einst ihr Zufluchtsort vor all ihren Sorgen gewesen war. Sie hatte sich nicht dazu durchringen können, sie früher zu verkaufen. Sie beschloss, sie in Ruhe zu lassen.
Nur für den Fall. Es war ein Ort, an dem sie sich sicher fühlte. Ein Ort, der viele schöne Erinnerungen birgt.
Bis zur Hochzeit. Als sie heute von ihrer Mutter und ihrem Mann vom Verrat ihres Mannes erfuhr, spürte sie, dass in ihrem Herzen kein Platz mehr für Vergebung war. Jeder Anruf von ihnen verstärkte ihren Schmerz nur noch und erinnerte sie an den schrecklichen Verrat …
Irgendwann hörten die Anrufe auf. Doch die bedrückende Stille in ihrem neuen Zuhause war trügerisch. Swetlana irrte wie ein Geist durch die Wohnung, räumte ziellos Dinge um und versuchte, ihr zerstörtes Leben wieder in Ordnung zu bringen.
Swetlanas gescheiterte Ehe mit Nikolai hinterließ tiefe Spuren bei ihr. Obwohl er versuchte, den finanziellen Kontakt aufrechtzuerhalten, indem er Geld auf ihre Bankkarten überwies, ließ sie diese schnell sperren. Sie versuchte, den Kontakt zu ihrem Mann abzubrechen.
Die Scheidung schien unvermeidlich, doch Sweta hatte es nicht eilig, ihre Ehe zu formalisieren. Sie brauchte Zeit, um sich zu erholen, ihre Fassung wiederzufinden und neue Prioritäten in ihrem Leben zu setzen. Und dann, in einem einzigen Moment der Erleuchtung, erkannte Sweta, dass sie nicht nur eine hübsche Puppe sein wollte, ein Accessoire in dem luxuriösen Leben, das Nikolaus ihr ermöglicht hatte.
Sie erinnerte sich an ihre Vergangenheit als talentierte Fotografin, deren Arbeiten bei vielen Einwohnern ihrer Stadt sehr gefragt und geschätzt waren. Vor zehn Jahren zierten ihre Fotos städtische Galerien und sogar Privatsammlungen. Damals fühlte sie sich wie eine wahre Schöpferin, nicht wie eine Gefangene in einem goldenen Käfig.
Mit neuer Kraft und Selbstvertrauen beschloss Svetlana, ihrer wahren Berufung nachzugehen. Sie rief das örtliche Fotostudio an, in dem sie einst ihre Karriere begonnen hatte, und erfuhr, dass dort ein talentierter Fotograf gesucht wurde. Svetlana wurde herzlich aufgenommen und kehrte bald wieder an die Arbeit zurück. Dabei entdeckte sie die Freude an Kreativität und Selbstdarstellung wieder.
Jedes Fotoshooting hatte nun einen besonderen Reiz, denn hinter jedem Foto verbargen sich tiefe Gefühle und Erlebnisse, die sie im Laufe der Jahre, insbesondere in den letzten Wochen, erlebt hatte. Das Leben verbesserte sich allmählich, und Sweta widmete sich ganz ihrer Arbeit, die ihr nicht nur den Lebensunterhalt sicherte, sondern auch eine Flucht vor schwierigen Gedanken bot. Trotz seines Verrats liebte sie Nikolai weiterhin und vermisste ihn manchmal sogar.
Sie hatte den Kontakt zu ihrer Mutter völlig abgebrochen und konnte ihn nun nicht mehr wiederherstellen. Ihr Mann, obwohl ein Fremder, war in Ordnung, aber ihre Mutter war die engste und einzige Person, die sie hatte. Wie konnte jemand seine eigene Tochter so verraten? Neun Monate waren seit diesem schrecklichen Tag vergangen.
Eines Abends, als Swetlana gerade einen großen Lagerauftrag abschloss, klingelte es an der Tür. Sie öffnete die Tür und sah Kolja mit einem kleinen Kind im Arm dastehen. Ihr Mann sah immer noch gut aus, aber sein Haar war völlig grau …