Bei einem Familientreffen fand ich meine Tochter bewusstlos auf dem Boden liegend, alle lachten. Meine Schwester lächelte und sagte: „Das ist doch nur ein Scherz.“ Ich versuchte, meine Tochter zu wecken, aber sie reagierte nicht. Als ich nach einer Erklärung verlangte, antwortete meine Schwester lässig: „Wir wollten nur testen, wer am meisten Wasser trinken kann.“ Mir wurde ganz eng ums Herz – als ich die Flasche roch, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Wut überkam mich; ich schlug ihr ins Gesicht und rannte hinaus. Hinter mir schrie meine Mutter: „Du undankbares Kind!“ Doch am nächsten Morgen kniete sie nieder und flehte: „Bitte gib deiner Schwester eine Chance auf Leben …“ Das Lachen hallte durch das Haus, scharf und unbekümmert, als ich mit einem Teller Kuchen in der Hand das Wohnzimmer betrat. Die Musik war laut, die Leute unterhielten sich, und die Stimme meiner Mutter drang aus der Küche – das typische Chaos eines Familientreffens der Walkers. Doch dann sah ich sie – meine Tochter Emily – regungslos auf dem Boden liegen. Der Teller rutschte mir aus den Händen und zersprang in tausend Stücke.
Einen Moment lang dachte ich, sie mache Witze und stelle sich tot, wie sie es als Kind immer getan hatte. Doch als ich zu ihr rannte und meine Knie auf dem Parkettboden aufschlugen, war ihre Haut kalt und ihre Lippen blass. „Emily!“, rief ich und schüttelte sie an den Schultern. Keine Antwort. Mein Herz hämmerte so heftig, dass ich kaum atmen konnte.
Hinter mir ging das Gelächter weiter – nervös, unsicher. Meine Schwester Claire stand ein paar Meter entfernt, ihr Gesicht zu einer Grimasse verzogen, in der sich Belustigung und Schuldgefühle mischten. „Entspann dich, Aaron“, sagte sie mit einem süffisanten Grinsen. „Es ist nur ein Scherz.“
„Ein Scherz?“, blaffte ich. „Sie ist bewusstlos!“
Claire verdrehte die Augen. „Wir haben nur ein Spiel gespielt. Mal sehen, wer am meisten Wasser trinken kann, ohne sich zu übergeben. Eben noch ging es ihr noch gut.“
Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag. Mein Blick wanderte zu der halb leeren Flasche auf dem Tisch. Ich hob sie auf und roch daran – sie stank nach etwas Chemischem, Bitterem. Mein Magen verkrampfte sich. Es war nicht nur Wasser.
„Was zum Teufel hast du ihr gegeben?“, fragte ich.
Claire verschränkte trotzig die Arme. „Leg dich nicht mit mir an, Aaron. Es war Wasser – vielleicht ein bisschen Wodka, ich weiß nicht. Du tust immer so, als wärst du besser als alle anderen. Sie hat mitgespielt!“
Ich hörte nichts mehr. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich gab ihr eine kräftige Ohrfeige. Das Geräusch hallte durch den Raum. Aufkeuchen, dann Stille. Die giftige Stimme meiner Mutter durchschnitt alles: „Du Mistkerl! Wage es ja nicht, deine Schwester anzufassen!“
Doch ich hatte Emily bereits in die Arme genommen und rannte zur Tür. Meine Sicht verschwamm, als ich die Treppe hinaufstolperte und um Hilfe schrie, dass jemand den Notruf wählen sollte. Hinter mir verstummte das Lachen – nur die Flüche meiner Mutter waren zu hören. Stunden später, im sterilen Licht des Krankenhauses, saß ich am Bett meiner Tochter, ihre schlaffe Hand in meiner. Und gerade als ich dachte, mich könne nichts mehr überraschen, rief am nächsten Morgen meine Mutter an – mit zitternder Stimme.
„Bitte, Aaron“, flüsterte sie. „Gib deiner Schwester eine Chance im Leben …
Ich hatte nicht geschlafen. Die Uhr an der Krankenhauswand zeigte 7:15 Uhr. Emily war immer noch bewusstlos und atmete flach, aber gleichmäßig. Der Arzt hatte Hyponatriämie diagnostiziert – eine Wasservergiftung –, weil sie zu schnell zu viel Wasser getrunken hatte. „Ihr Natriumspiegel war gefährlich niedrig“, erklärte er. „Sie kann von Glück sagen, dass sie noch lebt.“
Glück. Ich saß da, umklammerte ihre Hand, und Schuldgefühle packten mich. Hätte ich sie nicht mit ihnen allein gelassen, auch nur für einen Moment …
Dann summte mein Telefon. „Mama.“ Fast hätte ich es ignoriert, aber ihre zitternde Stimme hielt mich davon ab.
„Aaron, bitte komm nach Hause“, sagte sie. „Deiner Schwester … geht es nicht gut.“
Fast hätte ich gelacht. „Glaubst du, das interessiert mich?“
„Sie ist krank. Sie weint seit gestern Abend ununterbrochen. Bitte, Sohn. Du könntest mich später hassen. Komm einfach.“
Etwas in ihrer Stimme – rau, verzweifelt – ließ mich ihr zustimmen. Ich sagte der Krankenschwester, dass ich bald zurück sein würde, und fuhr durch die ruhigen Straßen von Cincinnati nach Hause. Das Morgenlicht fühlte sich schwer, fast fremdartig an.
Als ich das Haus betrat, herrschte Stille im Haus, nur leises Schluchzen ertönte. Claire saß am Küchentisch, ihr Haar zerzaust, ihre Augen rot und geschwollen. Vor ihr stand eine unberührte Tasse Kaffee.